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Filmlook in der Postproduktion

In der Nachbearbeitung eines Filmes, der Postproduktion, lässt sich in Sachen Filmlook vieles bewerkstelligen. Auch wenn die vorherigen Punkte während des Drehs nicht beachtet wurden, lässt sich doch noch eine ganze Menge aus dem Videomaterial herausholen. Als Beispiel soll hier einmal unser Musikvideo Architekt: Movement genannt werden. Es wurde mit einer stinknormalen MiniDV-Kamera (Canon MVX250i), ohne jegliche künstlich gesetzte Beleuchtung und oft auch ohne Stativ gedreht, und es sieht doch schon ziemlich geil aus, oder nicht? Das ist vor allem auf die intensive Farbkorrektur zurückzuführen, mit der sich wohl der größte Film-Effekt erzielen lässt. Allerdings gibt es noch andere wichtige Dinge, die das Filmerlebnis garantieren.


1. Deinterlacing - vom Halbbild zum Vollbild

Dieser Schritt ist der wohl wichtigste, aber auch am schwierigsten zu erklärende. Es ist der entscheidende Faktor, der ein Video billig nach Video aussehen lässt. Es nützt einem die beste Beleuchtung nichts, wenn das Material nicht "deinterlaced", oder auf deutsch "die Halbbilder zusammengefügt", wurden, weil es sonst nämlich trotzdem billig aussieht. Manchmal sieht man in Tatort-Filmen (oder ähnliches) dazwischen geschnittene Videosequenzen, die man sofort als solche erkennt, weil sie eben so billig nach Video aussehen. Es ist mir ein Rätsel, warum diese nicht deinterlaced werden. Klar, es ist ein Verlust von Bildinformation, aber es sieht in einer teuren 35mm-Produktion wirklich billig und scheiße aus.

Wie du vielleicht weißt, werden bei digitalem Video im europäischen Raum, 25 Bilder pro Sekunde aufgenommen. Allerdings sind es in Wirklichkeit 50 Halbbilder pro Sekunde. Ein aufgenommenes Bild setzt sich hierbei aus zwei Halbbildern zusammen, die sich Zeile für Zeile abwechseln. So wird in einem Bild die Information von zwei Bildern gespeichert, allerdings nur mit der Hälfte der Auflösung. Da das Auge nicht so schnell reagiert, setzt es die Halbbilder beim Fernseher in 50 Vollbilder pro Sekunde um. Weil Kinofilme mit 24 Bildern (=Frames) pro Sekunde gedreht werden, ist die sogenannte Framerate wesentlich kleiner, also 24 fps (frames per second). Ein Video hat für das Auge eine Framerate von 50 fps, Bewegungen werden also viel flüssiger wahrgenommen. Um nun den 24 fps von Film nahe zu kommen, müssen die 50 Halbbilder pro Sekunde auf 25 heruntergerechnet werden. Diesen Vorgang nennt man "deinterlacen" (ein Bild aus zwei Halbbildern ist ein "interlaced frame", deshalb "DEinterlacing" um die Halbbilder weg zu bekommen). Dazu gibt es verschiedene Algorithmen, die einem Halbbild die fehlenden Zeilen hinzurechnen, und das andere Halbbild entweder verwerfen, oder in die Berechnung mit einbeziehen.

   

[ der "interlaced frame" besteht aus diesen beiden Halbbildern ]

Jedes gute Videoschnittprogramm unterstützt diese Funktion, selbst Freeware-Tools wie VirtualDub beherrschen Deinterlacing. Die einfachste Methode ist es, die Zeile einfach Pixel für Pixel zu verdoppeln. Das braucht zwar nicht viel Rechenaufwand, sieht aber meist nicht schön aus. Deshalb greifen viele Algorithmen auf Interpolationsmethoden zurück, die fehlende Zeile wird also aus Berechnung von Durchschnittswerten der darüber und darunter liegenden Zeile berechnet. Ich könnte jetzt auch noch mehr ins Detail gehen, aber wichtig ist, dass auf irgendeine Weise die fehlenden Zeilen berechnet werden müssen, um ein Vollbild zu erhalten. Und so ist man dem Filmlook schon ein ganzes Stück näher. Allerdings sieht man den richtigen Video-Halbbild-Look nur auf einem Fernseher. Tipp: Gib mal dasselbe Video einmal interlaced (also mit Halbbildern) und dann deinterlaced hintereinander auf DVD aus, und schau es dir auf einem Fernseher an, dann weißt du was ich meine, und du siehst den großen Unterschied, der allein durchs deinterlacen gekommen ist.

   

[ deinterlacen: aus dem Videobild wird ein Halbbild extrahiert und die fehlenden Zeilen interpoliert ]


2. Breitbild

Die wohl einfachste, aber sehr wirkungsvolle Methode zur Filmfeeling-Erzeugung ist die sogenannte Kadrierung. Das bedeutet einfach das Einfügen von schwarzen Streifen am oberen und unteren Bildschirmrand. Das gibt einem beim Schnitt auch die Möglichkeit einen besseren Bildausschnitt zu wählen, indem man das Bild innerhalb der Streifen einfach nach oben oder unten verschiebt. Man sollte sich als Kameramann diesen Breitbild-Blick angewöhnen, und immer darauf achten, ob nicht eventuell wichtige Details mit den schwarzen Balken überdeckt werden könnten. Die XL1s bietet im Menü die Möglichkeit, sich 16:9-Streifen einblenden zu lassen, ohne das diese mitaufgezeichnet werden. Oder man klebt sich einfach mit schwarzem Isolierband die entsprechenden Stellen auf dem Kameradisplay ab.

 

[ originales 4:3 und kadriertes 16:9 Bild ]

Einige Kameras bieten auch einen 16:9-Modus an. Dabei gibt es Kameras, die einfach auch nur die schwarzen Balken hineinmalen (von diesem Modus sei abgeraten, weil man dann in der Postproduktion nicht mehr so flexibel ist), und solche die einen echten 16:9-CCD besitzen. Unsere Canon MVX250i zum Beispiel hat solch einen. Diese CCDs zeichnen dann tatsächlich mit mehr vertikaler Auflösung auf, da das Bild gestaucht aufgenommen wird, um das Auflösungsvermögen von DV, die 720x576 Pixel, voll auszunutzen. Noch mehr zum Thema Breitbild und zu dessen Berechnung, kannst du in meinem Tutorial Breitbild nachlesen.


3. Farbkorrektur

Die wohl zweitwichtigste Methode, um Filmlook zu kreieren. Hier können wirklich Wunder vollbracht werden, und aus einer stinklangweiligen, bei bewölktem Himmel gedrehten Szene, eine knackige Einstellung werden. Dabei sollte man sich als erstes Gedanken darüber machen, welchen grundsätzlichen Look der Film haben soll. Ob in unterkühlten Grüntönen, oder in heißem Orange, Hauptsache es passt zum Inhalt und zur jeweiligen Stimmung. Die wichtigsten Einstellungen sind wohl die der Helligkeit, des Kontrasts und der Sättigung. Diese sollte ein Videoschnittprogramm auf jeden Fall beherrschen, denn mit ihnen lässt sich schon eine Menge anstellen. Vor allem kann man damit, die meist unterschiedlich erscheinenden Aufnahmen, vor allem von Außendrehs mit wechselhafter Sonneneinstrahlung, aneinander anpassen, und so für ein ausgeglichenes Bild sorgen. Einen guten Look erzielt man schon, indem man einfach den Kontrast anhebt und die Farbsättigung, die ja bei Video sehr stark ist, senkt. Hier ist Ausprobieren gefragt, aber wie gesagt, Architekt: Movement ist ein gutes Beispiel für "Mach aus billigen Videoaufnahmen einen coolen Look", und dieser entstand vor allem aus den beiden letztgenannten Parametern.

     

[ Vergleich zwischen originalem und finalem Bild aus "Bittersüß" ]

     

[ Vergleich zwischen originalem und finalem Bild aus "Jugovina" ]

Wer dem Bild einen Farbstich geben will, sollte sich mit HSL-Farbtonverschiebung, oder ähnlichen Einfärbungs-Effekten, auseinander setzen. Außerdem geben bessere Schnittprogramme einem die Möglichkeit zur Gradiationskurven-Manipulation und weitere nützliche Funktionen, um zum Beispiel nur bestimmten Farbbereichen bestimmte Parameter zu geben. Hier hilft einfach viel herumexperimentieren, aber nicht einfach einen Look machen, nur weil er cool ist, sondern weil er die Stimmung und die Aussage des Filmes unterstützt! (wenn der Film natürlich keine Aussage hat, sondern einfach nur fett protzen will, wie das bei uns No-Budget-Filmern oft der Fall ist, dann ist es natürlich in Ordnung einen Look nur um des Looks Willen zu kreieren)

     

[ Filmbilder aus "Verräterische Oliven" ]


4. Effekte

Es gibt viele Plug-Ins oder mitgelieferte Effekte für Videoschnittprogramme, die dem Video zu noch mehr Filmähnlichkeit verhelfen sollen. Da gibt es zum Beispiel Programme, die einem zusätzliches Grieseln, oder Fusseln und Kratzer in das Bild rechnen, wie sie ja beim Film auch vorhanden sind. Aber auch Weichzeichner und Leucht- (sogenannte Glow-)Effekte sind ein sehr geeignetes Mittel, um dem harten Videobild zu mehr strahlender Eleganz und Weichheit zu verhelfen. Richard ist ein ganz besonderer Fan von den beiden letztgenannten, wie du in Bittersüß und dem IKK-Spot vielleicht schon gemerkt hast.

 

[ Szene aus "Verräterische Oliven": Orignalvideobild und mit Glow-Effekt bearbeitet ]

Auch Vignettierung kann als Stilmittel eingesetzt werden. Das bedeutet einen Helligkeitsabfall an den Rändern des Bildes künstlich zu erzeugen. Auch wenn es nur ganz schwach eingesetzt wird, dieser Effekt hat was. Oft wird auch bei epischen Totalen über den Himmel ein Verlauf ins Dunkle gelegt, was aber meist nur bei statischen Einstellungen möglich ist, da sonst der Verlauf mit der Kamerabewegung Bild für Bild mitbewegt werden muss.

 

[ Vorher-Nachher-Beispiel für Vignettierung ]


5. Überblendungen

Ein Punkt, der oft übersehen wird, aber doch auch wichtig ist, sind Überblendungen einzelner Szenen. Es sollte wohl klar sein, dass die tausend und abertausend Überblendungsmöglichkeiten mit denen Schnittprogramme um die Gunst des Käufers buhlen, eigentlich komplett in die Tonne gekloppt gehören. Ich wüsste keinen Film zu nennen, in dem eine Szene in einem 3D-Würfel rotierend drehend in die nächste übergeht. Allerdings ist "Star Wars" wohl eine Ausnahme. Die zahlreichen Überblendungen hätte George Lucas heutzutage aber wohl kaum noch gemacht, wenn sie nicht den Look der früheren drei Teile geprägt hätten. Und damals war das wohl der letzte Schrei, um zu beweisen, was man für ein cooler Cutter ist.

Nun, ich wollte eigentlich nicht auf die "Bild schiebt sich in Bild"-Überblendungen eingehen, sondern auf weiche Blenden, bei denen ein Bild das andere transparent überlagert. Dabei soll gesagt sein, dass heutzutage kaum noch ein Film ohne solche Blenden auskommt. Sie werden vor allem eingesetzt, um Zeit- oder Ortssprünge zu verdeutlichen. Dabei fällt auf, dass es sich fast nie um gewöhnliche Überblendungen (Spur 2 Transparenz von 100 auf 0) handelt, sondern es wird versetzt geblendet. Entweder die hellen oder dunklen Töne zuerst, oder die Töne einer bestimmten Farbe, und dann der Rest. Außerdem wird meist nicht linear, sondern logarithmisch geblendet, d.h. das die Transparenz der zweiten Spur nicht gleichmäßig von 100 auf 0 fällt, sondern langsam sinkt und dann immer schneller wird, oder umgekehrt. Bei fortgeschrittenen Schnittprogrammen kann man sich solche kurvenförmigen Zustandsänderungen selbst zeichnen und hat somit die volle Kontrolle.

Vor allem aber, wenn man auf- oder abblendet, also von Schwarz ins Bild und umgekehrt, sehen einfache lineare Überblendungen ziemlich billig aus. Hier sollte man dafür sorgen, dass die Lichter schnell angehoben werden, da sie sonst einen unangenehmen Grauton haben. Richard hat diese Methode in Jugovina eingesetzt, und es sieht wirklich besser aus.


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